Tag des Purzelbaums – oder Tag des Leistungsdrucks?

Wie schön: Heute ist der Internationale Tag des Purzelbaums. Weltweit feiern ihn Kinder und ihre Eltern – wenn sie ihn denn kennen. Das ist alles andere als selbstverständlich: Der Tag existiert nämlich erst seit 2009.
So oder so ist dieser Feiertag aber ein guter Anlass, einen Purzelbaum zu lernen oder endlich mal in Perfektion hinzukriegen.

Und warum damit nicht schon vor dem Laufenlernen anfangen? Purzeln können die Kleinen ja schließlich schon vorher, und vielleicht, mit ein bisschen Druck, als erste in der Krabbelgruppe –

STOPP! STOPP! STOPP!
Hier läuft etwas falsch!

Leistungsdruck – die Kleinen sollen alles richtig machen

Heute kennt es jede Mutter und jeder Vater: das ständige Vergleichen der kindlichen Fähigkeiten und Entwicklung.
„Mein Jona kann schon laufen – mit 9 Monaten!“
„Ja, aber meine Lea hat schon ein Gesicht in den Brei gemalt. Mit Haaren!“
„Wie, eure Kleine kann noch nicht stehen? In dem Alter?!“
Man muss nicht einmal mitmachen, um die Auswirkung dieser Entwicklung zu spüren – Leistungsdruck. Und der diktiert: Nicht nur Eltern haben ihr Bestes zu geben, sondern auch die Kleinen. Mehr messbare Leistung in kürzerer Zeit sollen sie erbringen (1). Und das gern frühestmöglich.

Je mehr Leistungsdruck, desto weniger altersgerechtes Spielen

Das Problem daran: Höherer Leistungsdruck, Anspruchsdenken und immer früherer Wettbewerb hindern Kinder zunehmend am altersgerechten Spielen (2). Stattdessen erfasst sie die Förderpädagogik bereits im Babyalter. Schon nach wenigen Monaten im Leben geht’s los: Babyschwimmen, Mozart-Beschallung, Pekip-Krabbelgruppe, Zweisprachige Betreuung, Chinesisch-Unterricht und und und.
Trotzdem bleibt immer die bange Frage: Entwickelt sich mein Kind auch gut genug (3)?
„Im Moment gibt es einen regelrechten Frühförderwahn“, war denn auch schon 2015 das Urteil des Bildungsforschers Heiner Barz (4) – und man darf getrost davon ausgehen, dass der Wahn seitdem nicht nachgelassen hat.

Besser als Leistungsdruck: nichts tun!

Müsste man dagegen nicht etwas tun? Tada! Da wäre er dann wieder mal: der gute alte Glaube daran, dass etwas zu TUN ist, und dass man dieses Etwas tun MUSS. Schon wieder Leistungsdruck!
Aber Achtung, Kinderohren zuhalten: Eltern müssen einen ******! Ganz im Gegenteil – wir glauben daran, dass nichts zu tun manchmal der viel bessere Weg ist! Denn wenn zu viel Leistungsdruck zum Problem wird, dann zählt eher
• NICHT im Rennen um das fähigste Kind mitzumachen
• NICHT die Ärztelaufbahn schon im Krabbelalter vorzubereiten
• NICHT etwas zu erzwingen, worauf die Kleinen keine Lust haben
• NICHT etwas zu erwarten, was ein kleines Kind einfach noch nicht kann
• NICHT große Leistungssportler aus kleinen Kindern zu machen

Und was wird nun aus dem Purzelbaum?

Dazu haben wir eigentlich nur einen Tipp: Wenn du einen Purzelbaum machen möchtest, leg vorher die manduca ab.

Aber ganz im Ernst: Die ersten Monate mit einem Kind schlägt das Leben wahrscheinlich jeden Tag genug Purzelbäume. Damit ist heute wohl sowieso nur einer von 365 Tagen des Purzelbaums. Mit Kindern geht ständig alles durcheinander. Sie machen (und können) eben nicht, was sie sollen, sondern was sie wollen. Und stellen damit die Welt auf den Kopf. Das ist die Kraft, die in ihnen steckt. Die bremsen oder steuern wir nicht, sondern lieben sie wie sie ist. Ganz nach dem Motto „Love the change!“

In diesem Sinne: Habt einen schönen Tag des Purzelbaums!

(1)Vgl. Bergmann W. Lasst unsere Kinder in Ruhe: 20, 2011 Kösel-Verlag München
(2) Metzinger A. KiTa aktuell Baden-Württemberg, Ausgabe 06.2016: 142-144
(3) Schellhaaß S, Wenn übermotivierte Eltern ihren Kindern schaden, https://www.welt.de/politik/bildung/article4558744/Wenn-uebermotivierte-Eltern-ihren-Kindern-schaden.html, abgerufen am 21.05.2021
(4) H. Barz, zitiert. nach Frankfurter Rundschau, 02.01.2015, S. 28